Fehlerkultur: Wie wir aus Fehlern lernen

Aus Fehlern klug werde - Fehler gehören dazu und bringen einem zum Ziel
25.02.2020
Simon Hauzenberger
Selbstkompetenz
Inhalt

Aus Fehlern wird man klug. Das behauptet zumindest ein bekanntes Sprichwort. Tatsächlich erleben wir vor allem im beruflichen Umfeld Fehler häufig als etwas Beschämendes, das nicht passieren darf und das wir von uns weisen. Lernpsychologen sehen andererseits im Misserfolg eine Lerngelegenheit. Eine negative Fehlerkultur ist nicht nur schlecht für das Selbstbewusstsein, sondern auch für wesentliche Lernvorgänge.

Fehler-Studie der University von Chicago

Testfragen und Feedback

Lauren Eskreis-Winkler und Ayelet Fishbach von der University von Chicago haben untersucht, ob Fehler das Lernen behindern. In fünf verschiedenen Studien mussten Teilnehmer nach einer Lernphase Fragen mit jeweils zwei Antwortalternativen beantworten. Daraufhin erhielten sie Rückmeldungen darüber, welche Aufgaben sie richtig (positives Feedback) und welche falsch (fehler- oder mangelorientiertes, negatives Feedback) beantwortet hatten. Anschließend stellten die Forscherinnen die inhaltsgleichen Fragen in abgewandelter Form, um festzustellen, ob die Teilnehmer:innen aus den jeweiligen Rückmeldungen etwas gelernt hatten. Es stellte sich bei Teilnehmern, die eine fehlerorientierte Rückmeldung erhalten hatten, ein geringerer Lerneffekt heraus. Jene Teilnehmer konnten sich auch weniger gut an die Antwortmöglichkeiten erinnern.

In einer weiteren Studie fanden die Teilnehmer:innen Fragestellung wie zum Beispiel: "Welches der folgenden Symbole einer alten Schrift stellt ein Tier dar?". Zusätzlich boten sie einen finanziellen Anreiz, um die Motivation zu steigern. Danach erhielten die Teilnehmer:innen erneut Rückmeldungen zu ihren Antworten. Im anschließenden Test waren die neuen Fragen inhaltsgleich zu den ursprünglichen, nur umgekehrt formuliert. Aus den Resultaten der Studie zogen die Wissenschaftlerinnen interessante Schlüsse.

Fehler verursachen negative Gefühle

Lieferten die Teilnehmer:innen in der Lernphase richtige Antworten und erhielten positives Feedback, schnitten sie im anschließenden Test auch besser ab. Wenn sie Fehler machten, brachten sie im Anschluss auch schlechteren Leistungen. Misserfolg hemmt demzufolge das Lernen, wenn Fehler negative Gefühle auslösen. Körper, Geist und Seele reagieren stärker auf negative als auf positive Ereignisse. Fehler bedrohen unser Selbstwertgefühl in dem Maße, dass wir sie nicht mehr wahrhaben wollen.

"Because people find failure ego threatening, they will disengage from the experience, which means they stop paying attention. Such tuning out has direct consequences for learning because people cannot learn information that they have not attended to." (Eskreis-Winkler und Fishbach, 2019)

Fehler lassen uns glauben, dass eine Aufgabe uns zu schwer sei und wir sie nicht bewältigen können. Viele deuten Misserfolg als mangelnde Eignung und lassen sich dadurch entmutigen. Diese Wirkung hat Misserfolg vor allem, wenn wir ihn persönlich nehmen. Zum Beispiel schließen Berufsanfänger aus negativem Feedback, dass sie sich nicht für ihr Ziel engagieren. Manche Motivationstheorien besagen, dass negatives Feedback unser Selbstbewusstsein und unsere Erwartungen senkt.
Jedoch verhält es sich anders, wenn es um die Fehler anderer geht, aus denen wir laut Studie tatsächlich klüger werden. Unsere Reaktion auf die Fehler anderer ist vergleichbar mit der Reaktion auf ein Erfolgserlebnis. In dieser Situation haben wir den Abstand, den wir brauchen, um Fehler zu erkennen und aus ihnen zu lernen. Anders als eigene Fehler betreffen die Fehler anderer Leute nicht unser Ego.

Fehlerkultur bedeutet Fehlermanagement

Ob man aus Fehlern klug wird hängt von verschiedenen Faktoren ab, nicht zuletzt vom aktiven Fehlermanagement. Sind wir nicht gewillt, unseren Fehlern Beachtung zu schenken, setzen wir uns nicht mit ihnen auseinander und lernen nicht aus ihnen. Prinzipiell verlangen uns negative Reize mehr Aufmerksamkeit ab und steigern so die Verarbeitung von Informationen. Demzufolge gehen wir aufmerksamer mit Fehlern um, verarbeiten diese besser und lernen so aus ihnen.
Andererseits stellen Fehler und Misserfolge das Selbstbewusstsein in Frage und bringen Menschen dazu, abzuschalten und "dicht zu machen". Teilnehmer lernten weniger aus ihren eigenen Fehlern als aus ihrem Erfolg. Interessanterweise lernten sie ebenso viel aus den Fehlern wie aus dem Erfolg anderer. Wenn unser Ego nicht bedroht ist, öffnen wir uns und Lernen aus Fehlern.
Die Studie hat gezeigt, dass Teilnehmer:innen, die negatives Feedback erhielten, weniger aus ihren Fehlern lernten als Teilnehmer:innen mit positivem Feedback. Fehlerorientierte Rückmeldungen untergraben die Lernmotivation, weil sie das Selbstwertgefühl angreifen. Es veranlasste die Teilnehmer:innen dazu, sich "auszuklinken" und die Informationen, die die Rückmeldungen boten, nicht mehr zu verarbeiten. Anders gesagt, Fehler untergraben an sich das Lernen auf der einen Seite, andererseits ermöglichen sie es. Auf das Feedback kommt es an.

Fehlerkultur bedeutet Feedbackkultur

Im Sinne einer positiven und konstruktiven Fehlerkultur sollten wir auf eine entsprechende Feedbackkultur achten. Dazu müssen wir begreifen, dass Fehler bisweilen nötig und förderlich sind. Daraus ergibt sich, dass wir Fehler auf keinen Fall ignorieren oder bestrafen sollten. So können wir Fehler mehr als Möglichkeiten verstehen, uns weiterzuentwickeln, und einen konstruktiven Umgang mit ihnen pflegen. Eine destruktive Fehlerkultur gilt es zu vermeiden, eine konstruktive Fehlerkultur zeugt von gutem Management im Unternehmen.

Nachwuchsführungskräfte und Mitarbeiter_innen aller Hierarchieebenen, die in Teams arbeiten, können einen Blick in unsere E⁠-⁠Learnings zu den Themen "Feedback geben" und "Feedback unter Kollegen" werfen:

Quelle:
Eskreis-Winkler, Lauren & Fishbach, Ayelet. (2019). Not Learning From Failure—the Greatest Failure of All. Psychological Science. 30. https://doi.org/10.1177/0956797619881133

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